Liebe Leserin, lieber Leser,
der November gehört zu den düsteren Monaten, nicht nur, weil der Himmel oft wolkenverhangen ist und die Tage kurz sind. Auch das Kirchenjahr geht seinem Ende entgegen und erinnert an die "letzten" Dinge. In der katholischen Kirche begeht man Allerheiligen, in der evangelischen den Buß- und Bettag und den Ewigkeitssonntag. Und am Volkstrauertag gedenken wir der Opfer von Krieg und Terror. Der Wochenspruch für den nächsten Sonntag passt zu dieser Grundstimmung: Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, schreibt Paulus im 2. Korintherbrief. Wer denkt dabei nicht an eine Gerichtsverhandlung, an dem alle Schandtaten auf den Tisch kommen und am Ende ein Urteil gesprochen wird. Das meint doch "richten". Aber eben nicht nur. Zumindest in unserem Sprachgebrauch steckt in dem Wort "richten" noch viel mehr. Wer etwas richtet, der bringt etwas wieder in Ordnung, was verbogen oder zerbrochen ist. Und wer auf-richtet, der hilft jemandem, wieder neuen Mut zu fassen und die Hoffnung nicht zu verlieren. So stelle ich mir dann auch Christus als Richter vor. Als einen, der die Wahrheit meines Lebens ans Licht bringt, weil ich vor ihm nichts verschweigen und verbergen muss. Als einen, der wieder zurechtbringt, was in meinem Leben unfertig geblieben oder zerbrochen ist. Als einen, der mich wieder aufrichtet und gerade eben nicht verurteilt.
Es gehört zum November auch über die Seiten unseres Lebens nachzudenken, die wir sonst gerne verdrängen und verschweigen. Aber es gehört auch zu dieser Zeit, sich wieder daran zu erinnern, dass Jesus gekommen ist, um Menschen aufzurichten, zu ermutigen, zu vergeben, ihnen zu sagen, dass sie von Gott angenommen und geliebt sind und ihnen den Weg zu zeigen, der zu Gott und zum Leben mit ihm führt.
So wünsche ich Ihnen bei allen trüben Novembertagen auch viele ermutigende und aufrichtende Erfahrungen.
Ihr
Jochen Stähle, Pfr.