Liebe Leserin,

lieber Leser,

500 Jahre waren es am vergangenen Wochenende her, dass Martin Luther sich vor dem Kaiser und den Fürsten auf dem Reichstag zu Worms verantworten musste. Eine klassische David-gegen-Goliath-Geschichte, auch wenn es wohl nicht so dramatisch war, wie in manchen neueren Verfilmungen dargestellt. Und auch die berühmten Worte am Ende seiner Rede "Hier stehe ich und kann nicht anders" sind so wohl nicht gefallen. Dennoch ist Luthers Auftritt in Worms ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Reformation, auch wenn er nicht auf Verständnis stieß, sondern mit der Reichsacht belegt wurde. Dieser Umstand brachte seinen Landesfürsten dazu, den berühmten, aber auch gefährdeten Professor aus Wittenberg auf der Wartburg zu verstecken. Dabei gab sich Luther auf dem Reichstag durchaus selbstkritisch. In manchen seiner Schriften sei er "schroffer gewesen, als es mir als Mönch ziemt." Aber widerrufen wird er nur, wenn man ihn mit Worten der Schrift widerlegt. Alles andere könne er nicht akzeptieren, auch wenn es Konzilien oder der Papst so beschlossen und verkündet haben. Dieses Prinzip ist damit zu einem Markenzeichen der Protestanten geworden: das Hören auf die Schrift und das immer wieder neue Nachdenken darüber, wie die Bibel zu verstehen und auszulegen ist. Weil die Meinungen hier durchaus auseinander gehen und wohl auch zukünftig auseinander gehen werden, haben wir auch weiter Gesprächsbedarf. In den Haus- und Gesprächskreisen, in Diskussionsforen im Internet, vor Ort und digital - von diesem Gespräch mit der Bibel und mit anderen lebt unser Glaube. Gerade weil wir uns eingestehen müssen, dass unser Wissen und Erkennen immer nur Stückwerk ist, wie Paulus einmal schreibt (1. Kor 13, 9).

Ich wünsche Ihnen - allein oder auch zusammen mit anderen - immer wieder neue und herausfordernde Entdeckungen beim Lesen der Bibel.

Ihr

Jochen Stähle, Pfr.