Liebe Leserin,

lieber Leser,

"Böses muss Böses vertreiben!", war ein Satz meiner Großmutter, wenn wir uns als Kinder weigerten, den Hustensaft zu nehmen oder sonst eine ungenießbare Medizin. Meistens hat sie ja dann auch geholfen und Husten, Fieber oder Schmerzen gingen vorbei. Ob der Grundsatz meiner Großmutter aber auch für andere Bereiche außer der Medizin gilt? Ich habe da so meine Zweifel und der Apostel Paulus auch. "Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.", lautet ein Satz aus dem Römerbrief, der auch der Wochenspruch für die kommende Woche ist. Für Paulus ist dies zunächst einmal ein Grundsatz christlichen Lebens: das Böse wird nicht dadurch weniger, dass man sich in einen Kreislauf von Gewalt und Schuld begibt. Sondern indem man ihn durchbricht. Liebet eure Feinde, heißt dieses Durchbrechen bei Jesus. Was für eine Herausforderung! Wie viel einfacher ist es da, eine Beleidigung mit einer ebensolchen zu erwidern, auf Unfreundlichkeit unfreundlich zu reagieren oder sich erlittenem Unrecht wehrhaft zu widersetzen. Und wie viel schwerer ist es, gelassen, freundlich und nachsichtig zu bleiben. Aber genau dadurch, so Paulus, "häufst du glühende Kohlen auf seinen Kopf", auf den Kopf dessen, der dir Unrecht tut. Natürlich gibt es Situationen, in denen es geboten ist, dem Bösen Widerstand entgegenzusetzen - und wenn es dem Schutz der Schwachen dient, auch gewaltsam. Aber damit wird das Böse nicht überwunden, bestenfalls zurückgedrängt und zum Schweigen gebracht. Und wo Gewalt angewendet wird, entsteht immer auch Schuld. Paulus forciert ein anderes Konzept. Ein Konzept, das Christinnen und Christen herausfordert, so wie es auch Jesus mit seiner Botschaft immer wieder tut. Aber eines, das am Ende die Kraft und die Chance hat, das Böse zu überwinden. So wie die Medizin hilft, Krankheiten zu überwinden und nicht nur die Symptome zu lindern. Daher ist sie doch etwas Gutes, auch wenn sie nicht immer leicht zu schlucken ist.

Es grüßt Sie herzlich

Ihr

Jochen Stähle, Pfr.