„Aller Augen warten auf dich, Herr, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit (Psalm 145,15)“

Vor fünf Jahren hätten wir uns das gar nicht vorstellen können: leere Regale im Supermarkt, eingeschränkte Lieferketten, rationiertes Mehl und Backmischungen. Wir waren gewohnt: Öl von mehreren Anbietern in jeder Preislage, Kaffee und Butter zu niedrigen Preisen. Wir konnten uns auch nicht vorstellen, dass Geschäfte geschlossen bleiben müssen, weil ein Virus weltweit grassiert, dass Weizen und Öl nicht geliefert werden können, weil das Land in dem es zum Großteil angebaut wird, in einem Krieg verwüstet wird oder Weizen von einer Partei als Druckmittel eingesetzt wird. Und natürlich konnten wir es wissen, wollten es aber vielleicht nicht wahrhaben, dass der Klimawandel auch Auswirkungen auf die Ernte bei uns haben wird, weil Dürrejahre und Wassermangel die Arbeit der Bauern erschweren oder unmöglich machen. Dieser Tage las ich einen Artikel, dass Weinbauern auf der Suche nach neuen Rebsorten sind, die das neue Klima besser vertragen.

Erntedank erinnert uns seit jeher daran, das Essen, Lebensmittel und die Schöpfung nicht selbstverständliches sind. „Aller Augen warten auf dich, Herr, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit“ lautet der im Kirchenjahr dem Erntedankfest zugeordnete Spruch aus der Bibel - genauer gesagt aus den Psalmgebeten (Psalm 145,15)“Der Dank war in den letzten Jahren als Festlichkeit auf dem Rückzug. Vielleicht müssen wir als Gesellschaft neu lernen, dass unser Leben und Zusammenleben im Grunde Geschenke sind. Gott hat die Welt gemacht und will nicht, dass sie vergeht. Er hat sie uns gegeben, um sie zu bebauen und zu bewahren.

Alle Augen warten auf dich. Man könnte auch formulieren: alle Augen, all unser Denken und Handeln orientieren sich an dir, Gott. Vielleicht lernen wir persönlich neu oder wieder, dass auch unser Leben und persönliches Wohlergehen auch ein Geschenk Gottes ist. Lassen Sie es uns dankbar annehmen. Und feiern. Zum Beispiel an Erntedank.

Ihre Elke Seiter