Liebe Leserin, lieber Leser,

„Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“, lautet eine Bitte aus dem 90. Psalm. Ein Psalm, der auf der einen Seite ein sehr nüchterner Blick auf unser Leben wirft. Wir sind vergänglich, unsere Jahre sind gezählt und nicht mehr als ein Seufzer (Luther übersetzte „Geschwätz“) angesichts der Ewigkeit. Doch dann ist da auch die Bitte um Gottes Gnade und Freundlichkeit und die Bitte, zu segnen, was wir tun, damit es nicht umsonst ist.

Die Klugheit, die dem Wissen um die eigene Sterblichkeit folgt, ist also beides: ein realistischer Blick auf die Grenzen unseres Lebens, unserer Möglichkeiten und Kräfte. Und die Einsicht, dass wir darum aufgewiesen sind auf Gottes Segen, auf Vergebung und Hilfe. Wir können nicht alles machen, schon gar nicht alles und allen recht machen. Aber wir können es in Gottes Hand legen. Das Wissen um die eigene Vergänglichkeit und die eigenen Grenzen versöhnt daher auch mit dem, was wir versäumen, was unfertig und ungelöst geblieben ist. Am Sonntag ist Ewigkeitssonntag oder Totensonntag, wie der Sonntag auch genannt wird. Ein Sonntag, in dem das Ende des Lebens in den Blick rückt - im Erinnern an die Verstorbenen, aber auch im Nachdenken über unsere eigene Endlichkeit und Grenzen. Es ist gut, das nicht aus den Augen zu verlieren und zu verdrängen. Denn es kann uns klug machen. Und uns neu dem vertrauen lassen, der unsere Zuflucht ist „für und für“ (Ps 90, 1).

Es grüßt Sie

Ihr

Jochen Stähle, Pfr.